Passend zum Beginn der Adventzeit ist in Österreich der Winter eingebrochen. Auch in Wien hat Frau Holle ihr weißes Gewand ausgebreitet, was Spaziergänge derzeit zu einem speziellen Erlebnis, aber auch zu einer gewissen Herausforderung macht. Der arktischen Kälte und den großen Schneemengen zum Trotz begab ich mich am Freitag an einen ganz besonderen Ort, an dem – obwohl mitten in der Stadt gelegen – der Schnee tatsächlich
leise rieselt: der
Arkadenhof des Hauptgebäudes der
Universität Wien.
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U2-Station am Schottenring |
Vom Ausgangspunkt meines abendlichen Spazierganges, der U2-Station "Schottentor – Universität", sind es nur wenige Schritte zum prachtvollen Hauptgebäude der Universität Wien. Das nach Plänen des Architekten
Heinrich von Ferstel erbaute Ringstraßengebäude wurde
1884 von Kaiser Franz Joseph I.
eröffnet.
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Das verschneite Hauptgebäude der Universität Wien |
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Blick Richtung Universitätsring |
So schön, so kalt. Umso lieber betrat ich die weihnachtlich geschmückte
Aula der Universität. Auf der linken Seite des 2006 neu gestalteten Eingangsbereiches befinden sich ein Verzeichnis aller
Rektoren und eine Installation mit den Portraitbildnissen der neun
Nobelpreisträger, die an der Universität Wien gewirkt haben. Zu den Laureaten zählen etwa Karl Landsteiner, der Entdecker der Blutgruppen, oder Konrad Lorenz, der Begründer der vergleichenden Verhaltensforschung.
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Weihnachtsstimmung in der Aula |
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linke Wandnische: Rektoren-Verzeichnis, rechts: Nobelpreisträger |
Nachdem meine Finger wieder aufgetaut waren, ging es abermals hinaus ins Freie, in den an die Aula angrenzenden
Arkadenhof. Dieser wurde von Ferstel nach dem Vorbild des Palazzo Farnese in Rom als "Campo Santo" angelegt und ist das
räumliche und architektonische Zentrum des Gebäudes. Der Innenhof ist ein Ort der Erholung und der Begegnung, aber auch ein Ort des Gedenkens an berühmte Gelehrte der Universität.
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Gang im Arkadenhof mit Gedenktafeln |
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Innenhof mit Kastalia-Brunnen (rechts im Bild) |
In der Mitte des Arkadenhofes befindet sich der von
Edmund von Hellmer gestaltete und
1910 aufgestellte
Kastalia-Brunnen. In der griechischen Mythologie hütete die Nymphe Kastalia die gleichnamige Quelle in Delphi, die den Musen geweiht war. Das Wasser der Kastalischen Quelle inspirierte zu Dichtung und Weisheit. Hellmer stellte die Figur der Kastalia in stoischer Haltung auf einem Thron sitzend dar.
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Der schneebedeckte Kastalia-Brunnen |
In den Gängen des Hofes erinnern über
150 Ehrenbüsten und Gedenktafeln an Größen der Wissenschaft und des Geisteslebens, darunter Sigmund Freud, Ludwig Boltzmann und Erwin Schrödinger. Unter den Geehrten findet sich
nur eine einzige Frau: die Dichterin
Marie von Ebner-Eschenbach (1830–1916). Ihr wurde im Jahr 1900 die Ehrendoktorwürde der Universität Wien verliehen. Eine Universitätslaufbahn war Ebner-Eschenbach verwehrt geblieben, da Frauen erst ab 1897 zum Studium zugelassen wurden.
Um auf die
Versäumnisse in der
universitären Ehrungspolitik aufmerksam zu machen, wurde 2005 im Rahmen eines Kunstprojektes vorübergehend eine
symbolische Büste aufgestellt – stellvertretend für alle Frauen, die ebenfalls eine Würdigung ihrer Leistung verdient hätten. Im Jahr 2009 wurde schließlich von der Künstlerin
Iris Andraschek eine dauerhafte Installation geschaffen: eine überdimensional große
Schattensilhouette einer weiblichen Figur in kämpferischer Pose, eingelassen in den Steinboden des Arkadenhofes. Mehr zu diesem außergewöhnlichen Projekt siehe:
http://www.dermusereichts.at.
Mit diesen wunderschönen Bildern des verschneiten Arkadenhofes möchte ich mich für heute verabschieden. Übrigens – auch, wenn es auf den Bildern kaum zu sehen ist – während meines gesamten Spazierganges hat es dicht geschneit … ganz leise.
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