Donnerstag, 30. September 2010

Hundertwasser-Stätten in Wien

"Die gerade Linie ist gott­los und un­mora­lisch." – Das ist nur eine von vielen provo­ka­ti­ven Aus­sa­gen des be­rühm­ten öster­rei­chi­schen Malers Fried­rich Sto­wasser (1928-2000), bes­ser be­kannt unter seinem selbst gewäh­lten Namen Friedens­reich Hundert­wasser. Die Abnei­gung des in Wien gebo­renen Künst­lers gegen gerade Linien wie auch seine Vor­liebe für leuch­ten­de, bunte Far­ben kom­men in all seinen Werken zum Aus­druck und machen diese so unver­wech­sel­bar.

Hunderwasser-Promenade am Donaukanal

Hundertwassers Werk ist außer­ge­wöhn­lich viel­sei­tig. Der "Magier der Vege­ta­tion", wie er sich ein­mal tref­­fend be­schrieb, betä­ti­gte sich nicht nur als Maler, son­dern setzte sich unter ande­rem auch mit Archi­tek­tur und Umwelt­schutz aus­ein­an­der. Seine Vor­stellungen von natur- und men­schen­ge­rechter Bau­weise ver­wirk­lichte Hundert­was­ser in zahl­reichen Pro­jek­ten auf der ganzen Welt.

Sondermarkenblock der Österreichischen Post
anlässlich des 80. Geburtstages von Friedensreich Hundertwasser

In Wien gestaltete der natur­ver­bun­dene Visionär das Hundert­wasser-Haus, das Kunst­Haus­Wien und die Müll­ver­bren­nungs­an­lage Spitte­lau. Zu­dem ent­warf das künstlerische All­round-Ta­lent das charak­teris­tische Äu­ßere des Aus­flugs­schiffs MS Vindo­bona, gemein­hin als Hunder­was­ser-Schiff be­kannt.

Auf dem Weg zum Hundertwasserhaus: Weißgerberlände am Donaukanal

Alle genannten Hundert­was­ser-Stät­ten befin­den sich am oder – im Fall des Hundertwasser-Schiffs – im Donau­kanal. Aus­gangs­punkt mei­nes Spa­zier­gangs ist die 2002 so benannte Hundert­was­ser-Pro­me­na­de, die ent­lang des Donau­ka­nals im 3. Wie­ner Ge­mein­­de­be­zirk, Land­straße, zwischen der Rotun­den­brücke und der Franzens­brücke ver­läuft. Vorbei an zahl­reichen Sou­venir­lä­den er­­reiche ich in weni­­gen Minu­­ten den ers­ten Besich­ti­­gungs­punkt, das Hundert­was­ser-­Haus:



Das Hundertwasser-Haus ist eine nach den Ent­wür­fen Hun­dert­was­sers gestal­tete Wohn­haus­an­lage der Ge­mein­de Wien. Vor mit­tler­weile über 25 Jahren, am 7. Sep­tem­ber 1985, wurde das an der Ecke Kegel­gasse/Löwen­gasse ge­le­gene Hun­dert­was­ser-Haus mit einem "Tag der of­fe­nen Tür" der Öffent­lich­keit über­geben. Da­mals gab das spek­ta­ku­läre Ge­bäu­de noch An­lass zu eini­gen Kon­tro­ver­sen, heute ist das bunte und reich ver­­zier­te Bau­­werk ein wah­rer Be­sucher­mag­net: Jähr­lich be­stau­nen mehr als eine Mil­li­on Be­sucher aus al­ler Welt das Hun­dert­was­ser-Haus; es be­legt da­mit den vier­ten Platz auf der Liste der be­lieb­tes­ten Wiener Sehens­wür­dig­kei­ten.

Spring­brun­nen vor dem Hun­dert­was­ser-Haus

Eine der vielen Beson­der­hei­ten - unebene Böden

Der großzügig angelegte Zugang zum Innenhof

Daten und Fakten zum Hun­dert­was­ser-Haus:
  • Eigentümerin des Gebäudes: Stadt Wien
  • Baukosten: 26,6 Millionen Euro
  • Bauzeit: 6. August 1983 - 15. Oktober 1985
  • Besiedelung durch die Mieter: 1. März 1986
  • Gesamtnutzfläche: 3.556 m²
  • 50 Wohnungen (mit Nutzflächen von 36 bis 150 m²)
  • 37 Garagenabstellplätze
  • Gemeinschaftsräume: 2 Kinderspielplätze, 1 Winter­garten 
  • 5 Geschäftslokale und 1 Arztpraxis
  • 900 Tonnen Erde auf den Dachterrassen
  • 250 Bäume und Pflanzen
(Quelle: http://www.wien.gv.at/)

Glasfront im Innenhof

Säulendetail

Treu seinem Wunsch, im Ein­klang mit der Na­tur zu leben, hat der vor 10 Jah­ren ver­stor­bene Kunst­re­bell für das Haus eine üppige Be­grü­nung vor­ge­sehen. Neben der "Baum­pflicht" hat Hun­dert­was­ser auch seinen Grund­satz des "Fens­ter­rechts" bei der Ge­stal­­tung des Ge­bäu­des um­ge­setzt. Das Fen­ster­recht be­schrieb der Meis­ter so:

"Ein Mann in einem Miets­haus muss die Mög­lich­keit haben, sich aus einem Fens­ter zu beu­gen und – so weit seine Hän­de rei­chen – das Mauer­werk ab­zu­krat­zen. Und es muss ihm ge­stat­tet sein, mit einem lan­gen Pin­sel – so weit er reichen kann – alles außen zu be­ma­len, so dass man von wei­tem, von der Straße sehen kann: Dort wohnt ein Mensch, der sich von seinen Nach­barn, den ein­quar­tier­ten ver­sklav­ten Norm­men­schen, unter­schei­det."

"Fenster in Reih und Glied sind traurig - Fenster müssen tanzen können."
F. Hunderwasser, 1990

Jahrelang tobte ein Rechts­streit um die Ur­he­ber­rechte des Hun­dert­was­ser-Hauses. Der Ober­ste Ge­richts­hof ent­schied schließ­lich im Früh­ling dieses Jah­res, dass geis­tiger Schöp­fer des ein­zig­ar­tigen Bau­werks nicht nur Friedens­reich Hun­dert­was­ser, son­dern auch der Archi­tekt Dipl.Ing. Josef Krawina ist, da dieser "eigen­schöpfe­rische Bei­träge" er­bracht hat. Auf­grund der Mit­ur­heber­schaft Krawinas ist es seit­dem unter an­de­rem ver­bo­ten, Ab­bil­dungen des Hauses ohne Nen­nung der Namen bei­der Schöp­fer zu ver­brei­ten (OGH 11.3.2010, 4 Ob 195/09v).

Werfen wir nun also einen letz­ten Blick auf das Hun­dert­was­ser-Kra­wina-Haus, be­vor es zum zwei­ten Be­sich­ti­gungs­punkt, dem Kunst­Haus­Wien, wei­ter­geht.

Hundertwasser-Krawina-Haus

Das KunstHausWien be­fin­det sich in der Unte­ren Weiß­ger­ber­stra­ße 13, un­weit des Hun­dert­was­ser-Kra­wina-Hauses. Das eben­so ei­gen­wil­lig ge­stal­te­te Ge­bäu­de be­her­bergt die welt­weit ein­zi­ge per­ma­nen­te Prä­sen­ta­ti­on des Wer­kes von Frie­dens­reich Hun­dert­was­ser. Au­ßer­dem sind im Kunst­Haus­Wien wech­selnde Son­der­aus­stel­lungen zu sehen.

Frontansicht des 1991 eröffneten KunstHausWien

Hundertwasser sagt über sein Werk:

"Das KunstHausWien ist ein Haus der Schön­heits­hin­der­nis­se, wo die Schön­heit die wirk­samste Funk­ti­on inne­hat, ein Haus der nicht-regle­men­­tier­ten Un­regel­mäßig­kei­ten, der un­ebenen Fuß­bö­­den, der Baum­mie­ter und der tan­zen­den Fens­ter.

Es ist ein Haus, in dem man ein gutes Gewis­sen der Natur gegen­über hat. Es ist ein Haus, das nicht den üb­lichen Nor­men ent­­spricht, ein Aben­teuer der mo­dernen Zeit, eine Reise in das Land der krea­tiven Archi­tek­tur."



"Zehn Baummieter wachsen aus
den Fenstern des KunstHausWien."

"Schwarzweißes, unregelmäßiges Schachbrettmuster signalisiert
das Auflösen des Rastersystems, das im Aufbrechen ist."

"Die einen behaupten, die Häuser bestehen aus Mauern.
Ich sage, die Häuser bestehen aus Fenstern."

Im KunstHausWien befinden sich neben dem Muse­um auch ein Museums­shop und das Café-Res­tau­rant Dunkel­bunt. "Dunkel­bunt" war einer der Namen, den Fried­rich Sto­was­ser im Laufe seines Lebens an­ge­nom­men hat­te. Sein voll­stän­di­ger Künst­ler­name lau­te­te: Friedens­reich Dunkel­bunt Regen­tag Hun­dert­was­ser.


Der dritte Be­sich­ti­gungs­punkt meines Hun­dert­was­ser-Spa­zier­gangs ist die be­ein­dru­ckende Müll­ver­bren­nungs­an­lage Spitte­lau. Die ther­mi­sche Ab­fall­be­hand­lungs­an­lage, deren Fas­sade Friedens­reich Hun­dert­was­ser in sei­nem ty­pischen, mar­kan­ten Stil ge­stal­tete, ist im 9. Bezirk, Alser­grund, ge­legen. Schon von wei­tem sehe ich den im Sonnen­licht glän­zenden, reich ver­zier­ten Schlot mit der gol­denen Ku­gel in den tief­blauen Him­mel ra­gen.



Die Spittelau ist eine von drei ther­mi­schen Ab­fall­be­hand­lungs­an­lagen der Fern­wär­me Wien GmbH. Die An­lage ver­sorgt vor al­lem das nicht weit ent­fernte All­ge­meine Kranken­haus Wien mit um­welt­freund­licher Fern­wärme.


In der An­lage Spitte­lau wer­den jähr­lich rund 250.000 Tonnen Haus­müll der Stadt Wien ver­ar­bei­tet. Da­bei ent­stehen rund:
  •  40.000 Megawattstunden (MWh) Strom
  •  470.000 MWh Fernwärme
  •  6.000 Tonnen Eisenschrott
  •  60.000 Tonnen Schlacken, Aschen und Filter­kuchen
(Quelle: http://www.wienenergie.at/)







Der vierte und letzte Be­sich­ti­gungs­punkt, das Hun­dert­was­ser-Schiff, ist Teil der Flot­te der DDSG Blue Danube. Das Aus­flugs­schiff ist für 240 Per­sonen zu­ge­las­sen und stammt aus dem Jahr 1979. Die MS Vindo­bona, so der offi­ziel­le Name, wurde 1995 re­no­viert und von Friedens­reich Hun­dert­was­ser auf die für ihn cha­rak­te­ris­tische Weise um­ge­stal­tet.

Hier liegt das Hun­dert­was­ser-Schiff am Donaukanal auf Höhe des Schwedenplatzes vor Anker:

Die MS Vindobona vor der Schwedenbrücke

Das Hundertwasser-Schiff, rechts im Hintergrund: die Wiener Urania

Die MS Vindobona in ihrer vollen Pracht

Schließen möchte ich diesen Bei­trag passen­der­wei­se mit Wor­ten von Friedens­reich Hun­dert­was­ser:

"Der unebene Boden

Der gerade Boden ist eine Erfin­dung der Archi­tek­ten.
Er ist maschinen­gerecht und nicht menschen­gerecht.

Die Menschen haben nicht nur Augen, um sich an Schö­nem zu er­freuen, und Ohren, um Schö­nes zu hö­ren, und Nasen, um Schö­nes zu rie­chen. Der Mensch hat auch einen Tast­sinn für Hände und Füße.

Ein belebter, unebener Fuß­boden bedeu­tet eine Wieder­gewinnung der Menschen­würde, die dem Men­schen im nivellie­renden Städte­bau ent­zogen wurde.

Der unebene Wandel­gang wird zur Sym­pho­nie, zur Melo­die für die Füße. Er bringt den ganzen Men­schen in Schwung.

Man wird gerne auf dem un­ebenen Boden auf und ab gehen, um sich zu erho­len und um das mensch­liche Gleich­gewicht wieder­zu­finden.

Archi­tek­tur soll den Men­schen erhe­ben und nicht ernied­ri­gen."

F. Hundert­wasser, 1991


Für mehr Informationen über den Künst­ler kann ich u.a. fol­gen­de Sei­te emp­feh­len: http://www.hundertwasser.de/

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