"Die gerade Linie ist gottlos und unmoralisch." – Das ist nur eine von vielen provokativen Aussagen des berühmten österreichischen Malers Friedrich Stowasser (1928-2000), besser bekannt unter seinem selbst gewählten Namen
Friedensreich Hundertwasser. Die Abneigung des in Wien geborenen Künstlers gegen gerade Linien wie auch seine Vorliebe für leuchtende, bunte Farben kommen in all seinen Werken zum Ausdruck und machen diese so unverwechselbar.
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Hunderwasser-Promenade am Donaukanal |
Hundertwassers Werk ist
außergewöhnlich vielseitig. Der "Magier der Vegetation", wie er sich einmal treffend beschrieb, betätigte sich nicht nur als Maler, sondern setzte sich unter anderem auch mit
Architektur und
Umweltschutz auseinander. Seine Vorstellungen von natur- und menschengerechter Bauweise verwirklichte Hundertwasser in zahlreichen Projekten auf der ganzen Welt.
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Sondermarkenblock der Österreichischen Post
anlässlich des 80. Geburtstages von Friedensreich Hundertwasser |
In Wien gestaltete der naturverbundene Visionär das
Hundertwasser-Haus, das
KunstHausWien und die
Müllverbrennungsanlage Spittelau. Zudem entwarf das künstlerische Allround-Talent das charakteristische Äußere des Ausflugsschiffs
MS Vindobona, gemeinhin als Hunderwasser-Schiff bekannt.
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Auf dem Weg zum Hundertwasserhaus: Weißgerberlände am Donaukanal |
Alle genannten Hundertwasser-Stätten befinden sich am oder – im Fall des Hundertwasser-Schiffs – im
Donaukanal. Ausgangspunkt meines Spaziergangs ist die 2002 so benannte
Hundertwasser-Promenade, die entlang des Donaukanals im
3. Wiener Gemeindebezirk, Landstraße, zwischen der Rotundenbrücke und der Franzensbrücke verläuft. Vorbei an zahlreichen Souvenirläden erreiche ich in wenigen Minuten den
ersten Besichtigungspunkt, das
Hundertwasser-Haus:
Das Hundertwasser-Haus ist eine nach den Entwürfen Hundertwassers gestaltete
Wohnhausanlage der Gemeinde Wien. Vor mittlerweile über 25 Jahren, am
7. September 1985, wurde das an der
Ecke Kegelgasse/Löwengasse gelegene Hundertwasser-Haus mit einem "Tag der offenen Tür" der Öffentlichkeit übergeben. Damals gab das spektakuläre Gebäude noch Anlass zu einigen
Kontroversen, heute ist das bunte und reich verzierte Bauwerk ein wahrer
Besuchermagnet: Jährlich bestaunen mehr als eine Million Besucher aus aller Welt das Hundertwasser-Haus; es belegt damit den vierten Platz auf der Liste der beliebtesten Wiener Sehenswürdigkeiten.
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Springbrunnen vor dem Hundertwasser-Haus |
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Eine der vielen Besonderheiten - unebene Böden |
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Der großzügig angelegte Zugang zum Innenhof |
Daten und Fakten zum Hundertwasser-Haus:
- Eigentümerin des Gebäudes: Stadt Wien
- Baukosten: 26,6 Millionen Euro
- Bauzeit: 6. August 1983 - 15. Oktober 1985
- Besiedelung durch die Mieter: 1. März 1986
- Gesamtnutzfläche: 3.556 m²
- 50 Wohnungen (mit Nutzflächen von 36 bis 150 m²)
- 37 Garagenabstellplätze
- Gemeinschaftsräume: 2 Kinderspielplätze, 1 Wintergarten
- 5 Geschäftslokale und 1 Arztpraxis
- 900 Tonnen Erde auf den Dachterrassen
- 250 Bäume und Pflanzen
(Quelle:
http://www.wien.gv.at/)
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Glasfront im Innenhof |
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Säulendetail |
Treu seinem Wunsch, im Einklang mit der Natur zu leben, hat der vor 10 Jahren verstorbene Kunstrebell für das Haus eine
üppige Begrünung vorgesehen. Neben der
"Baumpflicht" hat Hundertwasser auch seinen Grundsatz des
"Fensterrechts" bei der Gestaltung des Gebäudes umgesetzt. Das Fensterrecht beschrieb der Meister so:
"Ein Mann in einem Mietshaus muss die Möglichkeit haben, sich aus einem Fenster zu beugen und – so weit seine Hände reichen – das Mauerwerk abzukratzen. Und es muss ihm gestattet sein, mit einem langen Pinsel – so weit er reichen kann – alles außen zu bemalen, so dass man von weitem, von der Straße sehen kann: Dort wohnt ein Mensch, der sich von seinen Nachbarn, den einquartierten versklavten Normmenschen, unterscheidet."
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"Fenster in Reih und Glied sind traurig - Fenster müssen tanzen können."
F. Hunderwasser, 1990 |
Jahrelang tobte ein
Rechtsstreit um die Urheberrechte des Hundertwasser-Hauses. Der Oberste Gerichtshof entschied schließlich im Frühling dieses Jahres, dass
geistiger Schöpfer des einzigartigen Bauwerks nicht nur Friedensreich Hundertwasser, sondern auch der
Architekt Dipl.Ing. Josef Krawina ist, da dieser "eigenschöpferische Beiträge" erbracht hat. Aufgrund der Miturheberschaft Krawinas ist es seitdem unter anderem verboten, Abbildungen des Hauses ohne Nennung der Namen beider Schöpfer zu verbreiten (OGH 11.3.2010,
4 Ob 195/09v).
Werfen wir nun also einen letzten Blick auf das
Hundertwasser-Krawina-Haus, bevor es zum
zweiten Besichtigungspunkt, dem
KunstHausWien, weitergeht.
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Hundertwasser-Krawina-Haus |
Das
KunstHausWien befindet sich in der
Unteren Weißgerberstraße 13, unweit des Hundertwasser-Krawina-Hauses. Das ebenso eigenwillig gestaltete Gebäude beherbergt die weltweit einzige permanente Präsentation des Werkes von Friedensreich Hundertwasser. Außerdem sind im KunstHausWien wechselnde Sonderausstellungen zu sehen.
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Frontansicht des 1991 eröffneten KunstHausWien |
Hundertwasser sagt über sein Werk:
"Das KunstHausWien ist ein Haus der Schönheitshindernisse, wo die Schönheit die wirksamste Funktion innehat, ein Haus der nicht-reglementierten Unregelmäßigkeiten, der unebenen Fußböden, der Baummieter und der tanzenden Fenster.
Es ist ein Haus, in dem man ein gutes Gewissen der Natur gegenüber hat. Es ist ein Haus, das nicht den üblichen Normen entspricht, ein Abenteuer der modernen Zeit, eine Reise in das Land der kreativen Architektur."
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"Zehn Baummieter wachsen aus
den Fenstern des KunstHausWien." |
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"Schwarzweißes, unregelmäßiges Schachbrettmuster signalisiert
das Auflösen des Rastersystems, das im Aufbrechen ist." |
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"Die einen behaupten, die Häuser bestehen aus Mauern.
Ich sage, die Häuser bestehen aus Fenstern." |
Im KunstHausWien befinden sich neben dem Museum auch ein Museumsshop und das Café-Restaurant
Dunkelbunt. "Dunkelbunt" war einer der Namen, den Friedrich Stowasser im Laufe seines Lebens angenommen hatte. Sein vollständiger Künstlername lautete:
Friedensreich Dunkelbunt Regentag Hundertwasser.
Der
dritte Besichtigungspunkt meines Hundertwasser-Spaziergangs ist die beeindruckende
Müllverbrennungsanlage Spittelau. Die thermische Abfallbehandlungsanlage, deren Fassade Friedensreich Hundertwasser in seinem typischen, markanten Stil gestaltete, ist im
9. Bezirk, Alsergrund, gelegen. Schon von weitem sehe ich den im Sonnenlicht glänzenden, reich verzierten
Schlot mit der goldenen Kugel in den tiefblauen Himmel ragen.
Die
Spittelau ist eine von drei thermischen Abfallbehandlungsanlagen der
Fernwärme Wien GmbH. Die Anlage versorgt vor allem das nicht weit entfernte Allgemeine Krankenhaus Wien mit umweltfreundlicher Fernwärme.
In der Anlage Spittelau werden jährlich rund
250.000 Tonnen Hausmüll der Stadt Wien verarbeitet. Dabei entstehen rund:
- 40.000 Megawattstunden (MWh) Strom
- 470.000 MWh Fernwärme
- 6.000 Tonnen Eisenschrott
- 60.000 Tonnen Schlacken, Aschen und Filterkuchen
(Quelle:
http://www.wienenergie.at/)
Der
vierte und letzte Besichtigungspunkt, das
Hundertwasser-Schiff, ist Teil der Flotte der
DDSG Blue Danube. Das Ausflugsschiff ist für 240 Personen zugelassen und stammt aus dem Jahr
1979. Die
MS Vindobona, so der offizielle Name, wurde
1995 renoviert und von Friedensreich Hundertwasser auf die für ihn charakteristische Weise umgestaltet.
Hier liegt das Hundertwasser-Schiff am
Donaukanal auf Höhe des
Schwedenplatzes vor Anker:
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Die MS Vindobona vor der Schwedenbrücke |
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Das Hundertwasser-Schiff, rechts im Hintergrund: die Wiener Urania |
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Die MS Vindobona in ihrer vollen Pracht |
Schließen möchte ich diesen Beitrag passenderweise mit Worten von Friedensreich Hundertwasser:
"Der unebene Boden
Der gerade Boden ist eine Erfindung der Architekten.
Er ist maschinengerecht und nicht menschengerecht.
Die Menschen haben nicht nur Augen, um sich an Schönem zu erfreuen, und Ohren, um Schönes zu hören, und Nasen, um Schönes zu riechen. Der Mensch hat auch einen Tastsinn für Hände und Füße.
Ein belebter, unebener Fußboden bedeutet eine Wiedergewinnung der Menschenwürde, die dem Menschen im nivellierenden Städtebau entzogen wurde.
Der unebene Wandelgang wird zur Symphonie, zur Melodie für die Füße. Er bringt den ganzen Menschen in Schwung.
Man wird gerne auf dem unebenen Boden auf und ab gehen, um sich zu erholen und um das menschliche Gleichgewicht wiederzufinden.
Architektur soll den Menschen erheben und nicht erniedrigen."
F. Hundertwasser, 1991
Für
mehr Informationen über den Künstler kann ich u.a. folgende Seite empfehlen:
http://www.hundertwasser.de/